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Subject: Sonntagsfrage

2013-09-23 14:07:56
Vieles mag stimmen, aber ich würde nicht von deiner Nichte auf die Allgemeinheit schließen wollen. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind sicherlich ein großes Problem, aber dies als Grund anzuführen, sich nicht einzubringen, reicht mir nicht aus!

Mit Verlaub, aber es gab Zeiten, da war gewerkschaftliches Engagement, teilweise jedwede Form politischer Betätigung eine Gefahr für das eigene Leben. Und es war schon immer (auch bei mir vor 20 Jahren) so, dass politisches Engagement nur und allein zulasten der Freizeit möglich ist. Dieses "Opfer" mag einigen leichter, einigen schwerer fallen, keine Frage, aber generell zu sagen, heute gäbe es ja keine Zeit mehr, bezweifle ich. Freizeitgesellschaft und so.

Wer, ja ich muss wieder etwas polemisch sein, Stunden am Tag Zeit hat, auf facebook herum zu klicken und Katzenvideos anzusehen, der könnte diese Zeit sicher auch konstruktiver verbringen. Das mag nicht auf deine Nichte zutreffen, aber ich unterrichte seit fast 10 Jahren an der Uni und die Studierenden werden von Jahr zu Jahr schlicht fauler - zeitgleich wachsen die Ansprüche an die Uni, man möchte wie in der Schule rundherum versorgt werden, der Lehrstoff wird immer weiter zusammen gestrichen und zugleich sehe ich wie viel Zeit in meinen Augen unnütz vergeudet wird.
Früher war es kein Problem, für eine wichtige Arbeit mal 3 Nächte lang kaum zu schlafen, heute ist das unmöglich usw. usf. Mein Bezugsrahmen mag genau so wenig repräsentativ sein wie deiner, begründet aber meinen Standpunkt. Denn politisch aktiv sind meine Studierenden nicht, trotz 20 Stunden-Woche.

Das Problem ist IMHO daher eben nicht allein die Zeit, sondern der mangelnde Wille, die fehlende Bereitschaft sich - bestenfalls gar uneigennützig - einzubringen. Und das ist die spannendste Gemeinsamkeit von FDP und Piraten (aus einer SZ Statistik des Sommers): Man erwartet von der Politik und konkret von seinem Engagement einen ganz persönlichen Vorteil. Bei allen anderen Parteien ist das große Ganze entscheidender, besonders bei Grünen und Linken.

Und ja, die FDP wir bevorteilt, auch da gebe ich dir Recht, aber es ist ja nicht so, dass es für junge Parteien unmöglich wäre, den Sprung über die 5 Prozent zu schaffen. Das wurde den Grünen auch nicht leicht gemacht, der PDS/Linken sowieso nicht, fragt mal einen Rundfunkrat.

Aber eben daher reicht es eben nicht aus, auf die bösen Strukturen zu schimpfen und selbst nicht aktiv zu werden. Dies meint natürlich nicht, dass die Strukturen von mir positiv beurteilt würden. Daher hatte ich ja auch Georg Schramm verlinkt, der diese andere Seite treffend beschreibt.
Es schließt sich aber nicht aus, mehr Eigenverantwortung/Engagement und bessere Strukturen zu fordern. Mir ist das alles viel zu bequem, immer nur auf andere zu zeigen.

Denn nichts von beidem passiert. Statt dessen gehen Politiker in Spielshows, um sich lächerlich zu machen und vorgeführt zu werden. Wenn man wirklich nur noch so Wählerstimmen generieren kann, dann, ja dann zweifle ich grundsätzlich an der Demokratie. Was ich nach den Ergebnissen der letzten beiden Sonntag ohnehin schon könnte...
(edited)
2013-09-23 14:14:54
Im Übrigen ist es mitnichten so, dass andere Staaten wochentags wählen würden, weil die Bevölkerung dort "einen höheren Stellenwert bei den Herrschenden" hätten. Ich weiß nicht, wie man zu so einer Sichtweise kommt.

Die Hintergründe sind in meinen Augen doch eher die, Werktätige bei der Stimmabgabe zu behindern. Was zumindest in der USA ganz deutlich wird. So oder so glaube ich, dass, zumal mit der Alternative Briefwahl, der Wahlgang an einem Sonntag kein derart großes Problem darstellen sollte. Das halte ich wirklich für übertrieben, passt aber natürlich in eine Sichtweise, jedwede Eigenverantwortung abzulehnen.

Nachtrag: In der SPD ist man zuletzt dazu übergegangen, nicht mehr vorwiegend an Wochenenden zu tagen. Die Folge war, dass einfache also werktätige Mitglieder noch weniger teilnehmen können und Berufspolitiker verstärkt präsent sind. Das mag jetzt nicht ganz dein Punkt sein, ist für mich aber ein gutes Argument, so etwas eben doch in die Freizeit zu legen. Bestenfalls aber - und hier könnten wir einer Meinung sein - würde man aber einfach den "politischen Urlaub" stärken. Für Betriebsräte ist so etwas an der Tagesordnung aber ich glaubte immer, dass es auch Bundesländer/Betriebe gibt, in denen so etwas generell möglich ist. Ob nun Vision oder Realität, so etwas wäre hilfreich, gerade für Fälle wie dem der beschriebenen Nichte.
(edited)
2013-09-23 18:36:01
Wenn in einem Staat wirklich gewünscht wäre, dass sich politisch engagiert wird, dann wären Wahlen niemals in der Freizeit. Übrigens waren sie auch in Deutschland mal an Werktagen.
Auch Briefwahl ist da kontraproduktiv, weil sie Menschen gezielt in der Anonymität belässt.
Die Wahl wird zur lästigen Pflichtübung, wie die Einkommensteuererklärung.

Mal ein ganz simples Beispiel: wer für die Interessen der Beschäftigten aktiv ist, der tut dies als Betriebsrat in seiner Arbeitszeit. Wenn ein Betrieb groß ist, dann wird er sogar völlig von der Arbeit freigestellt und ist nur noch als Betriebsrat aktiv. Arbeitet jemand dennoch auch in seiner Freizeit als Betriebsrat, dann muss der Betrieb diese Zeit als Arbeitszeit berücksichtigen.
Für Betriebsräte ist "politischer Urlaub" keineswegs an der Tagesordnung, sondern Stress, bei dem das Privatleben im schlimmsten Falll völlig auf der Strecke bleibt.
Ich war jahrelang Personalratschef und hab den Kram nach 15 Jahren hingeworfen, weil durch die Politik der Landesregierung, die Rolle des Personalrates auf ein Anhörungsrecht ohne Mitbestimmung reduziert wurde. Auch so ein Fall übrigens, wie man Engagement schon im Keim ersticken kann. Die jungen Leute heute kennen gar nichts anderes mehr, als dass sie gehorchen sollen und rechtlos sind. Ich, und wahrscheinlich auch du, hatten wenigstens noch bessere Zeiten erlebt.

Zu der Nichte kann ich dir nur sagen, dass ich mich lieber auf Informationen aus erster Hand verlasse, als auf Statistiken, die ich nicht selbst gefälscht habe.

Eine Freizeitgesellschaft gibt es nur noch für wenige. Vielen fehlen nicht nur die Zeit, sondern auch das Geld, um sich noch Freizeit leisten zu können. In den Urlaub fahren fast nur noch Singles oder Doppelverdiener. Selbst unser Fußballverein vor Ort hat die Mitgleidsbeiträge verringern müssen, damit die Leute ihre Kinder da noch hinschicken können. Ins Schwimmbad geht kaum noch ein Kind im Sommer, weil der Bus zu teuer ist und wenn die Schule mal wieder einen Ausflug durchziehn will, dann hagelt es Protest von den Eltern, weil das langsam Überhand nimmt und ins Geld geht.

Die Uni hab ich von beiden Seiten 4 mal kennegelernt. So schlimm, wie beim letzten mal in den Nullerjahren, war es nie zuvor. Heutzutage wird nur noch gedealt mit Informationen. Nur die ganz Doofen höffen noch darauf, dass der Prof nicht merkt, wenn sie wieder mal n ur Wikipediaunsinn abgeschrieben haben. Um einen Abschluss noch ganz normal bestehen zu können, brauchst du extrem viel Zeit und Nerven.
Oder, anderes Beipsiel, im Vergleich zu dem Scheiß, den Kinder heute in der Schule ausgesetzt sind, war das in den 70ern ein Paradies, auch wenn uns das natürlich damals nicht so vorkam.
Wie sollen aus Kindern, die heute nur noch Befehl und Gehorsam beigebracht bekommen, jemals freie Denker werden, wenn sie keine Zeit mehr haben, sich darum zu kümmern? Nürnberger Trichter und seitenlanges Abschreiben ist heute wieder so modern, wie in den 60ern. Mein Jüngster braucht jetzt schon ein neues Matheheft, dabei hat hier in NRW erst vor 3 Wochen die Schule angefangen.

Als ich jung war, kämpfte man, unterstützt durch eine starke Gewerkschaft, um die 35 Stuinden Woche. Die war auch fast schon erreicht, dann kam der konservative Backlash...und heute arbeiten die Leute wieder 45 bis 55 Stunden ohne zu murren. Sie würden alles geben, um selbst den miesesten Job noch zu behalten. Noch in den 90ern hieß es in Anzeigen: mache alles, außer Hamburger backen. Heute sind selbst diese Jobs begehrt. An Gewerkschaften denkt kaum noch jemand. An Politik schon gar nicht.
Unter anderem auch wegen Parteien, wie den Grünen. Keine Frage, dass die es anfangs verdammt schwer hatten. Aber spätestens in den frühen 90ern, also etwa seit der Kolonialisierung der DDR, war klar, dass es sich bei den Grünen um einen Lobbyistenverein handelt, der alles tut, um sich mit an die Macht zu bringen. Und mit jedem Jahr bekamen sie dafür mehr Beifall von der falschen Seite.
Meinem Vater ist es heute noch, mit 77 Jahren, peinlich, dass er sie in den frühen 80ern mal gewählt hat. Ich kenn 4 von ihnen persönlich. Nur einer, nämlich derjenige, der in den Medien immer besonders stark angegriffen wird/wurde, ist noch heute einigermaßen glaubwürdig. Die andern 3 sind alle angepasste Karriereschweine geworden. Kann schnell gehn, wenn man sich in der Freizeit politisch engagieren will und an die Falschen gerät.

Dieser Staat verlangt von seinen Bürgern, dass sie arbeiten gehen müssen, um zurecht zu kommen.
Jedenfalls die unteren Schichten. In der Freizeit sollen sich die Leute von dieser Arbeit erholen. Wird immer gern als Argument genommen, wenn Leute Geld für Mehrarbeit haben wollen und dafür nur Urlaub bis zur Entlassung kriegen. Der gleiche Staat ist legitimiert dadurch, dass Entscheidungen nur durch gewählte Politiker getroffen werden. Hierfür sollen dann aber die Bürger wieder ihre angeblich so wichtige Erholungszeit opfern.

Kleinigkeiten? Kann man so sehn. Aber alles fängt mit Kleinigkeiten an und vieles, was heute als selbstverständlich gilt, war noch vor ein paar Jahrzehnten verboten und unvorstellbar.

Gibt übrigens auch andere, die diese Sonntagsfrage stellen.

(edited)
2013-09-24 01:45:28
Mal ehrlich, so ne gequirlte Scheiße von einem angeblich gestandenen Erwachsenen liest man wirklich selten. Deine Argumente beißen sich teilweise schon kurz nach Satzanfang selbst in den Arsch. Hast Du Sidds Beitrag überhaupt gründlich gelesen oder überfliegst Dir nur, und nimmst passende Schlagworte raus, um Dich dann an Deinen eigenen Pamphleten zu berauschen?
Weil also Betriebsräte während ihrer Arbeitszeit für die Interessen der Mitarbeiter eintreten, müssen Wahlen in der Arbeitszeit stattfinden? Und natürlich ist politisches Engagement in der Freizeit nur Stress. Kriegt man ja auch nicht bezahlt.
Letztlich bist Du aber genau das, was Sidd anprangert. Zumindest in meinen Augen.
(edited)
2013-09-24 08:06:40
Das was sidd und sara mit unterschiedlichen Ansätzen thematisierem ist doch eben einfach nur ein Zeitgeistproblem. Weder sind Studis heute perse weniger politisch oder weniger interessiert, noch fauler. Interessen haben sich verlagert, neue Ablenkungsmöglichkeiten sind dazu gekommen und politische Lager und ein "Klassenbewußtsein" sind halt nicht mehr gegeben. Das kann man bedauern oder eben akzeptieren. Das kapitalistische System ist eben sehr erfolgreich im Einlullen. Da muss man sich nichts vormachen und die wenigsten Leute bleiben ein Leben lang Klassenkämpfer.

Wir alle verbringen vermutlich jeden Tag mind. eine Stunde im Internet. Ob ich heute noch als junger Mensch den Weg zu einer Gewerkschaft finden würden? Wahrscheinlich nicht. Man begreift Gewerkschaften halt nur noch als Vertretung für eine ganz besondere Klientel, der arbeitenden Bevölkerung, den traditionellen Industriearbeiter. Der Anteil der Leute, die sich heute noch als Arbeiterschaft begreifen ist doch gering.

Früher war ich so ein freigestellter Jugendvertreter, habe jedes zweite Wochenende mit Gewerkschaftsarbeit verbracht, jedes Jahr 4 Wochen Bildungsurlaub und auf Gewerkschaftschulung. Trotzdem hat auch bei mir die Bereitschaft sich zu engagieren nachgelassen. Man wird bequemer, man wird bürgerlicher. Zudem hat sich bei mir die berufliche Laufbahn noch mal geändert und bin heute eben Akademiker und kein Facharbeiter mehr. Von daher: man kann sagen ich und die Grünen sind einen ähnlichen Weg gegangen und für mir sind die Grünen daher immer noch wählbar, auch wenn sie nicht mehr die Grünen eines Thomas Ebermann oder Rainer Trampert sind.

(edited)
2013-09-29 20:50:56